top of page
IMG_5815_edited.jpg

Leben ist Geborenwerden und Leiden sind Geburtswehen

Leben ist Geborenwerden

Wenn eine Frau gebären soll, ist sie bekümmert, weil ihre Stunde da ist; aber wenn sie das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an ihre Not über die Freude, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist.

Johannes 16: 21

 

Erinnern Sie sich noch an das, was wir über die Geburt anfangs des Buches geschrieben haben? Und sie ist eine handfeste und sehr schmerzhafte Angelegenheit. Geburt ist Leiden mit einem Ziel, der Geburt eines Menschen (oder eines Tieres). In der deutschen Sprache kommt dieser Zusammenhang ganz plastisch in einer wohl einmaligen Wort-Schöpfung zum Ausdruck: Geburtswehen. Davon gibt es mal wieder zwei Sorten, denn doppelt genäht hält einfach besser: Zum einen die schmerzhaften Gebärmutter-Kontraktionen ausgeführt von der Muskulatur des Uterus selbst, die das Ende der Schwangerschaft einläuten und zum Ein- und Durchtritt des Kindes in die Enge des Geburtskanals führen, was zu neuen, andersartigen Schmerzen führt (bei Mutter und Kind). Zum anderen die Bauchpresse, ausgeübt von der Bauch-Muskulatur der Frau während der eigentlichen Geburt, was auch die Austreibungs-Phase genannt wird.

Was versteht man eigentlich, einmal ganz naiv gefragt, unter einer Geburt? Das Prinzip einer Geburt lautet Trennung. Trennung von Mutter und Kind, aber eine sinnvolle Trennung, nicht die Korrektur eines Irrtums, sondern ein Neubeginn. Um sie danach wieder zusammen zu führen. Es geht um Distanz, als übergeordneter Begriff der beiden diametral verschiedenen Ausprägungen Nähe und Ferne. Aber auf eine sonderbare Art. Irgendwie klingt es wie ein Widerspruch: Trennung von Zweien um sie wieder zusammen zu führen. Das müssen wir genauer unter die Lupe nehmen.

Um den ganzen, wirklich den ganzen Geburtsvorgang besser verstehen zu können, wollen wir ihn in Ent3en: Vor-Geburt, eigentliche Geburt, Nach-Geburt. Der Zeitraum vor der eigentlichen Geburt dauert in der Regel beim Menschen neun Monate, also viel länger als die eigentliche Geburt, der Geburtsvorgang. Fangen wir also von vorne an: Im Anfang war:

In großer Nähe so fern

Ausgangspunkt: Was war vor der Geburt? Das Kind war räumlich gesehen der Mutter ganz nah. Größere Nähe kann es nicht geben zwischen zwei unterschiedlichen Menschen, das „werdende“ Leben befindet sich innerhalb des Mutterleibes: Geborgen und behütet, versorgt. Doch das Kind ist gleichzeitig den Blicken verborgen, auch wenn die Medizin uns heute ein faszinierendes Fenster ins Dunkel des Mutterleibes mittels der Ultraschall-Untersuchung eröffnet hat. Wir können auch kurz und knapp sagen: Das Kind befindet sich gleichzeitig in einem Zustand größtmöglicher Nähe zur Mutter und doch gewissermaßen in einer „unerreichbaren“ Ferne. Denn wir würden es zu gerne in die Augen nehmen, pardon Arme, nehmen. Ihm ins Gesicht blicken, sehen, wem es ähnlich schaut. Nicht nur die Mutter, vor allem auch alle noch Ferneren wie Vater und Geschwister, Großeltern und so weiter. Wir können es aber nicht, so sehr wir es uns auch wünschen mögen. Denn das wäre der Tod des Kindes. Aber die Sehnsucht ist umso größer, die Tage zur Geburt werden gezählt! Wann ist es endlich soweit?

Übrigens: Es gibt noch eine Steigerung dieser Nähe zweier Menschen: nämlich drei oder gar mehr Beteiligte in dieser Schicksalsgemeinschaft, wenn Zwillinge oder gar andere Mehrlingskinder unterwegs sind. Eine besondere Steigerung sind die eineiigen Zwillinge, insbesondere dann wenn sie sich einen Mutterkuchen teilen, was davon abhängt, wann sich die Teilung der beiden vollzieht.

Wie funktioniert diese „Über-Nähe“ von Mutter und Kind? Der Mutterkuchen wird hier gerne übersehen, obwohl er von entscheidender Bedeutung ist. Und wenn er später sichtbar wird, gar wenig galant „Nachgeburt“ heißt. Der Mutterkuchen, wie schon poetisch im Namen angedeutet, versorgt das Kind mit Sauerstoff zum Atmen und Nährstoffen zum Wachsen. Gleichzeitig ist die Plazenta die unabdingbare Voraussetzung, dass sich das Kind überhaupt so nahe der Mutter behaupten, ja überleben kann. Der Mutterkuchen schützt das Kind vor der Mutter. Sie haben richtig verstanden, es bedarf des Schutzes. Ansonsten würde die Mutter das Kind abstoßen, verstoßen in die tödliche Ferne. Es würde sterben. Ähnliches beobachtet man bei Organtransplantationen. Das verpflanzte, fremde Organ wird mit Chemie vor dieser Abstoßungs-Reaktion geschützt. Gleiches tut die Plazenta in der Gebärmutter der Mutter. Der Mutterkuchen ist ein „Mischwesen“, gebildet von mütterlichen und kindlichen Teilen. Zu einem Teil kommt die Schutzfunktion durch diese besondere Zusammensetzung aus Mutter und Kind zustanden. So wird das Immunsystem der Mutter unterlaufen, es erkennt den „Fremdkörper“ im Mutterleib als zum eigenen Organismus gehörig. Außerdem bilden sich in der Plazenta Hormone, chemische Botenstoffe, die den Uterus ruhig stellen. Was mittels dieser zwei Methoden verhindert wird, ist kurz gesagt die Geburt, präzise die Frühgeburt. Denn dann wäre das Kind noch nicht reif für die Welt außerhalb der Mutter und müsste sterben. (Glücklicherweise haben geniale Menschen den Brutkasten erfunden und eine ganze Disziplin der Human-Medizin entwickelt: die Perinatologie, um das Überleben der sogenannten Frühchen zu ermöglichen.)

Wir können festhalten: Eine Geburt bedeutet immer das Ende eines alten Zustandes. Die Geburt eines Kindes beendet die Schwangerschaft. Die Geburt bedeutet mit anderen Worten den Tod der Schwangerschaft. Die Schwangerschaft selbst und dann in noch ausgeprägterer Form, wenn Alles Spitz auf Knopf steht, der  eigentliche Geburtsvorgang, beide sind zudem potentiell lebensbedrohliche Zustände. Man könnte fast sagen ein Unding, oder ein Wunder, dass nicht mehr passiert. Wenn die Schnur des Lebens zur Schnur des Todes wird durch verwickelnde Umstände.

In weiter Ferne so nah

Übertragen wir die Beobachtungen der Beziehung ungeborenes Kind – schwangere Mutter auf die Beziehung Erden-Mensch – himmlischer Vater. Wir haben gesehen wie nah und doch gleichzeitig wie fern sich Mutter und Kind sind während der Schwangerschaft. Wie verhält es sich mit der Beziehung himmlischer Vater – Mensch? Genau umgekehrt, spiegelbildlich, wie bei der irdischen Schwangerschaft! Gott ist fern und doch nah. Für manche Zeitgenossen ist er so fern wie es nur geht, d.h. er ist gar nicht existent. Anderen ist er egal, sie denken nicht über ihn nach. Andere wiederum sehnen sich nach seiner Hilfe in größten Nöten allerlei Art. Manche sehen es so, wie es Paulus in Athen auf dem Forum in aller Öffentlichkeit präzise formulierte: Denn keinem von uns ist er fern. Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir, wie auch einige von euren Dichtern sagen: Wir sind von seiner Art. (Apostelgeschichte 17: 27b+28). Paulus Worte würden bedeuten, dass wir in Gott sind analog zu dem ungeborene Kind in seiner Mutter. Für unser Verhältnis zum himmlischen Vater können wir einen universellen Brückenschlag machen, es ist genau umgekehrt wie bei  Mutter und Kind: Gott ist in weiter Ferne so nah. Zurück in den Leib der Mutter.

Schicksalsgemeinschaft

Die Kommunikation zwischen Mutter und Kind erfolgt während der Schwangerschaft rein stofflich gesehen über den Mutterkuchen und die Nabelschnur. Aber wir wissen heute durch die Erkenntnisse der Naturwissenschaft und die Medizin, dass es auch eine „höhere“ Kommunikation zwischen beiden gibt. Das ungeborene Kind kann schon hören. Der Pulsschlag des mütterlichen Herzen soll beruhigend auf das Ungeborene wirken. Es hört zudem die Stimme der Mutter oder andere Stimmen und Geräusche aller Art, was schon an seinen Reaktionen (Bewegungen) abzulesen ist. Und viele Mütter berichten auch von einer Kommunikation, die darüber hinaus geht, ohne dass sie es beweisen könnten. Ein Gefühl, für manche sogar eine Gewissheit. Eine innere Verbindung zwischen Mutter und Kind, Mutterinstinkt eben. So spürt eine komplett taube Mutter genau, wann ihr Kind nach ihr schreit. Das ist eine Erfahrungstatsache mit ungezählten Beispielen weltweit.

Und der Vater? Der irdische hat den Vortritt: Er erwartet voller Sehnsucht den Geburtstermin, versüßt das Warten damit, seine Hand oder sein Ohr auf den Bauch der Mutter zu legen. Hört oder fühlt er etwas? Die Mutter ist ihm da mit Sieben-Meilenstiefeln voraus. Allerdings um den Preis eines Boxkampfes. Das werdende Leben strampelt sich groß! Und das kann ganz schön Schmerzen bereiten. Das ist die logische Konsequenz der Nähe des Kindes in der Gebärmutter zur Mutter. Nähe bringt Konfliktpotential mit sich, bekanntermaßen. Vor allem, je enger es wird!

Wie der „außer-irdische“ irdische Vater in Personal-Union den Kontakt zu dem „werdenden Leben“ sucht, so sucht auch der himmlische Vater den Kontakt zu uns, zu dem „werdenden Himmels-Leben“. Er sucht nicht nur, er baut sogar auf, er stellt den Kontakt her. Auf vielerlei Art und Weise, doch wir wollen uns hier konzentrieren auf das Bild der Natur, des „werdenden Lebens“ im Mutterleib. Ähnlich wie dort das Mischgebilde Mutterkuchen, ist uns sozusagen ein himmlischer Mutterkuchen geschenkt. Oder besser „Vaterkuchen“? Egal, es sind nur Bilder. Wie also soll das funktionieren? Wie tritt der Vater vom Himmel her mit uns in Kontakt? Zurück zum Mensch:

Gleichzeitig nah und fern zu „können“, ist auf den ersten Blick ein Widerspruch in sich selbst. Oder ein Wunder, eine übernatürliche Eigenschaft. Eines Gottes würdig. Oder eines Vaters oder einer Mutter. Oder einfach eines liebenden Wesens. Je größer die Ferne zu sein scheint, je größer ist die Sehnsucht, die Distanz zu überwinden, um den geliebten Menschen endlich wieder in die Arme nehmen zu können. Berede Zeugnis geben viele Todesanzeigen in unseren Tageszeitungen: Du wirst immer in unseren Herzen bleiben! Selbst der Tod kann bei vielen Menschen die Sehnsucht nach Nähe nicht zerstören. Oder denken Sie an die Gedichte, Lieder und Briefe, ja ganze Bücher, die in allen Kulturen und Zeiten von dieser Sehnsucht Zeugnis ablegen.

Im Mutterleib erfährt jeder Erdenbürger diesen „göttlichen“ Zustand, dieses Paradoxon, Gegensätze vereinen zu können. Ganz nah und doch in Teilen ganz fern. Dieser „paradiesische“ Zustand, dieser von goldenem Frucht-Wasser umgebener Garten Eden, in dem das Kind über den Mutterkuchen permanent wie im Schlaraffenland die Ernte einfährt auf der Autobahn-ähnlichen „Versorgungsader“ Nabelschnur, währt nicht für immer. Und über ihm hängt eigentlich permanent das Damokles-Schwert der vorzeitigen Vertreibung durch widrige Umstände mannigfaltigster Art. Schließlich, der Platz wird immer enger, das heimelige Nest unerträglich. Platzangst? Jedenfalls gibt es zu einem bestimmten Zeitpunkt das Signal zum Aufbruch, zur Vertreibung, pardon Austreibung aus dem vermeintlichen Paradies, das man aber auch als Gefängnis bezeichnen könnte. Die Wissenschaft hat zwar noch nicht alle Fragen in diesem Zusammenhang klären können, jedoch ist man einhelliger Meinung, dass dieses „Komplett-Räumungs-Kommando“ von Mutter und Kind in enger Absprache gemeinsam ausgesprochen wird. Es bleibt nur ein Weg, nach draußen, und es gibt keinen Weg zurück, nicht einmal für Kängurus. Es ist eine absolute Einbahnstraße, normalerweise auch ohne Geisterfahrer, auch wenn der Vergleich mit einer deutschen Autobahn etwas hinkt, wie damals Israel nach dem Jabbok. Denn die Geburt eines Menschen saust nicht ohne jedes Tempolimit über eine mehrspurige Autobahn, sondern sie gleicht eher einer Schnecke im unterirdischen Maulwurfstunnel. Oder noch besser einem Regenwurm, der bei Regen seine Heimat verlassen muss und über der Erde erscheint.  Übrigens, beim Stichwort Israel sollten wir nicht unerwähnt lassen, dass die Geburt des Volkes Israel, erzählt in der Exodus-Geschichte des zweiten Buches Mose, durch die Wüste und das Wasser des Roten Meeres führte. Auch die Geburt des Staates Israel war eine Schwergeburt schlimmster Art, die bis heute noch zu keinem befriedigenden Ende gefunden hat.

Zurück in den Leib der Mutter. Anstelle einer Erleichterung wird mit dem Einsetzen der Geburts-Wehen Alles um ein Vieles ärger. Konnte das Kind in der letzen Zeit der Schwangerschaft noch einigermaßen Platz finden und sich immerhin im begrenzten Rahmen bewegen, so stößt es jetzt permanent an. Der schützende Uterus wird mehr und mehr zum Gefängnis, oder zum Konkon?  Glücklicherweise ist es eine einzige große Rundung ohne Ecken und Kanten, die es umgibt, so dass es sich nicht wirklich anstoßen kann, ein großer Rund, der es von allen Seiten umgibt. Von allen Seiten? Von wegen, da war doch eine Stelle, eine einzige Stelle, aber immerhin eine Stelle, die so ganz anders war wie der Rest seines überschaubaren und für es einfach gestrickten Universums, das doch ein geradezu geniales Wunderwerk der Natur ist. Genau dort, an dieser „Andersartigkeit“ ist es jetzt auf geheimnisvolle Weise angelangt. Es hat sich irgendwann gedreht, sozusagen eine Kehrtwende, nicht unbedingt immer um 180 Grad, damit der Kopf nach unten zeigt, genau dorthin, und wohin auch sonst? Nach einer ganzen Reihe von Erdbeben, anfangs nur ganz kleinen, unmerklichen, dann immer stärker anschwellend und wieder abschwellend, Erholungspausen inklusive. Dann mit einem Mal: ein wahres E.T. Erlebnis. Verwundert fragt sich das kleine außerirdische irdische Wesen: Wo bin ich denn hier angekommen? Aber zum Nachdenken ist es jetzt zu spät. Ein Erdbeben, ein Tsunami und eine Sintflut zugleich, ergießt sich, als wären alle Quellen der Urflut und alle Schleusen des Himmels aufgetan, wie zu Noahs Zeit. Und es treibt hilf-los und doch nicht steuerlos hinein in den Schlund der tiefsten Nacht aller seiner Nächte, den Muttermund. Fluchtweg und „Alles läuft wie am Schnürchen“ in Personalunion. Nein, zwei Schnürchen, die Standleitung zur alten Mutter-Erde Mutterkuchen steht ja noch. Hallo Erde, wir haben da ein Problem. Problem gelöst, der Strom des Lebens durch die Mutter aller Schnüre, die Nabelschnur. Tief durchgeatmet. Geht ja gar noch nicht! Es ist eher zum Ersticken, das Gott-verlassene eng Dunkel, die Tunnel-Röhre schier ohne Ende, doch die Pipeline in die Freiheit! Aber wer sie nicht gekannt hat, der versteht sie nicht. Und fast wie in den letzten Zügen erblickt es doch das Licht der Welt. Gerade mal gut gegangen!  Jetzt erst mal tief durchgeatmet, und wer vor Verwunderung vergisst, das zu tun, dem wird aber nachgeholfen! Mit vereinten Kräften des ganzen Empfangskomitees: heute unter den wachsamsten Augen, die man sich vorstellen kann! Ein schöner Brauch, die „gemeinsame Geburt“ von Mutter, Vater, Kind, auch wenn er noch gar nicht so alt ist.

Der hier beschriebene Geburtsvorgang ist Erfahrungs-Schatz fast der gesamten Menschheit. Ausnahmen von der Regel: Kaiser-Schnitte und ein Adam und eine Eva, eine Allererste nicht-Geborene, für die doch ein Lösungsweg gefunden wurde. Die Lösung unserer Tage: Kaiser-Schnitt, wie schon erwähnt. Das sind nicht unbedingt appetitanregende Schnittchen, sondern waren in früheren Zeiten oft aus der Not geboren, aber nur für Kaiser und deren reiches Gefolge, die eine Eintrittskarte zum Club der Erlauchten in der Tasche hatten. Voller Dankbarkeit dürfen wir sein, dass diese chirurgische Therapieform heute jedermann zugänglich ist und meist gut vorbereitet erfolgt, selbst in Fällen von Fliehenden, die von Fluchthelfern hierher verfrachtet wurden. Und Eva in Eden? Das war sozusagen die Mutter aller Ausnahmen in der Entstehungs-Geschichte der Menschheit, deshalb Diskussion vertagt!

Die Ausnahme von der Regel - Erwählung Teil 1

Für die eigentliche Ausnahme von der Regel  sind wir jetzt, da wir unsere erste Lektion gelernt haben, vielleicht reif genug. Reif für die Insel, aber das versteht man erst später. Betrachten wir nun die berüchtigte, uns alle oft nervende, oder verunsichernde Ausnahme von der Regel: Die Zwillings-Schwangerschaft. Kompliziertere Mehrlingsschwangerschaften lassen wir ganz beiseite, begnügen uns mit dem überschaubaren Zahlen-Raum Zwei. Und kehren wieder zurück zu Esau und Jakob:

Als die Zeit ihrer Niederkunft gekommen war, zeigte es sich, dass sie Zwillinge in ihrem Leib trug. Der erste, der kam, war rötlich, über und über mit Haaren bedeckt wie mit einem Fell. Man nannte ihn Esau. Darauf kam sein Bruder; seine Hand hielt die Ferse Esaus fest. Man nannte ihn Jakob (Fersenhalter).

Das Grund-Problem der Zwillinge ist, sie müssen sich „einigen“, wer von beiden zuerst den Todesstoß versetzt, den Todes-Kuss verteilt, den „Muttermund küsst“, also wer dann auch als Erster den Geburtskanal, den Mutterschoß durchbricht. Wer wird die mühevolle Aufgabe als „eisbrechender“ Panzerpionier an vorderster Front übernehmen? Auf ihm lastet die schwere Bürde und Verantwortung ganz allein. Denn für Zwei ist kein Platz. Für einen allein schon fast nicht. Das Kind muss sich den Platz erst schaffen, zum Glück  in Teamarbeit mit der Mutter, mit Hilfe ihrer Wehen. Was für eine unwahrscheinlich große Veränderung im Leben der beiden Winzlinge! Die erste Trennungs-Erfahrung im kurzen Dasein der Zwillinge! Scheiden tut ja bekanntlich weh. Der eine bleibt sitzen. Der andere prescht vor. Oder „wurde er vorgeprescht“? Hatte er keine andere Wahl? Das waren natürlich nicht wortwörtlich zu nehmende Gedankengänge, die wir gerade den beiden untergejubelt haben. Wie wird im natürlichen Leben die Entscheidung gefällt? Wer sagt hier, wo es lang geht? Genauer wäre: Wer sagt, wer von beiden zuerst geht? Wahrscheinlich ganz einfach die Ausgangsposition der beiden. Wer näher am Eingang zum Geburtskanal schwimmt, muss dran glauben. Zufall, Schicksal eben, oder göttliche Fügung? Bei Jakob und Esau schien es ja dabei hoch hergegangen zu sein. So schlimm, dass Rebekka, ihre Mutter, Gott befragen musste. Wer wird der Erste sein? Und wer der Zweite? Der Verlierer? Weil er nur der Zweite geworden ist. So könnte man die Geburts-Ereignisse bei Esau und Jakob und auch den Verlauf ihrer Kindheit und Jugend interpretieren. Liegt nahe, bei diesen dramatischen Ereignissen mit Erstgeburts-Segen und verkauftem Linsen-Gericht.

Mit anderen Worten: Was ist der Vorteil, als Erstgeborener zur Welt zu kommen? In der Bibel scheint diese Frage von überragender Bedeutung zu sein, die weit über den Vorteil hinaus geht, später einmal beim Erben den Vorzug zu bekommen. Für uns heute ohne wirkliche Bedeutung, weil dieser Brauch eigentlich verschwunden ist. Doch im Buch der Bücher scheint das anders zu sein. In der Exodus-Geschichte geht es in prominenter Weise um die Erstgeburt, bei Mensch und Tier sogar. Es geht um Leben und Tod. Der Engel Gottes geht in der Nacht vor dem großen Auszug Israels durch Ägypten-Land und erschlägt die Erstgeburt, die nicht markiert war durch das Blut der geopferten Passah-Lämmer. Alle, ohne Ausnahme. Wir sind bei einem der heikelsten Themen der Bibel angelangt, der Erwählung.

Dieses Thema kann man mit einer ganzen Reihe anderer Begriffe umschrieben: Eine Auswahl treffen, sich entscheiden müssen. Ein Dilemma, das unser Leben durchzieht, fast von der Wiege bis zur Bahre. Beim Säugling wird sie ihm wohl von der Mutter abgenommen werden, denn die weiß besser, an welcher der beiden Auswahlstellen sie ihn stillen möchte oder sollte, der Ausgewogenheit wegen, oder dem Stau wegen. Auch später im Leben steht man immer wieder vor der Frage, welche der beiden Alternativen man wählen soll, die vor einem zur Auswahl liegen. Rechts oder links lang zum Beispiel. Manchmal kann man sich nicht entscheiden, weil beide einem gefallen oder eben passen. Dann kann es richtig sein, beide zu nehmen. „Nimm Zwei“ ist aber beim Gebären keine Lösung, sondern eher der absolute Super-Gau, wie es bei Hundegeburten passieren kann. Beim Menschen ist das anatomisch eher nicht möglich, deshalb steht diese Lösung gar nicht zur Debatte. Bleibt also die Qual der Wahl. Der Kampf um die Entscheidung. Das Auswahl-Verfahren wurde deshalb in deutschen Amtsstuben eingeführt. Auswahl-Kriterien im Alltag sind da einfacher, etwa Vor-Lieben, Vor-Teile, Nach-Teile, Ab-Neigungen. Auch den Begriff Gericht möchten wir hier in die Diskussion einwerfen. Gericht könnte man als einen Platzhalter für folgendes Dilemma heran-ziehen: Es muss eine Auswahl oder eine Entscheidung getroffen werden. Denn meist zieht dabei einer den Kürzeren. Oder er hat die letzte Karte gezogen, die einen unpassenden Namen für diesen Zusammenhang trägt.

Doch zurück zu unserem eigentlichen Thema: der Beziehung Mensch-himmlischer Vater. Warum ist die Erstgeburt so wichtig?

Die Regel ohne Ausnahme

Die Erstgeburt hat diesen überragenden Stellenwert in der Bibel, weil dieser Begriff mit dem dort so genannten eingeborenen Sohn Gottes aufs Engste verbunden ist. Jesus wird, wie wir bereits im Kapitel über Ostern betrachtet haben, zum Erstgeborenen von den Toten. Was aber hat Jesus mit dem Bild der Geburt als Abbild der Beziehung Mensch-Vater im Himmel zu tun? Wo kommt Jesus da ins Spiel? Zwei Aspekte sind hier unseres Erachtens zu finden: Einer davon wird nur bei Zwillings-Geburten abgebildet. Jesus als das Leben, der Weg, Anfang und Ende, begleitet jeden Menschen durch sein gesamtes Leben und den Tod hindurch als der gute Hirte, der uns alle zum Vater bringt. Für diese biblische Wirklichkeit gibt es ein sehr schönes, ja ein in jeder Hinsicht geniales Bild: Den zweieiigen Zwilling, der mit seinem Bruder im gleichen Boot sitzt, der Arche Noah sozusagen. Mal wieder die Zwei! Im Mutterleib, und es ist ausgemacht, wer der Erstgeborene ist! Immer Jesus. Weil es von Gott so bestimmt ist. Er ist der Durch-Brecher der Bande, der Erlöser. Er löst ein Problem und verschafft und hinterlässt seinem Bruder einen gebahnten Weg, kein gemachtes Nest. Er hat als einziger den Vorzug vor allen anderen, denn er ist anders Gottes Sohn als wir Menschen es sind und je sein können. Das Bild der innigsten Gemeinschaft von Zwillingen im Mutterleib erleuchtet die folgende Tatsache: Quasi als zweieiiger Zwillingsbruder verspricht uns Jesus in Matthäus 28: 20: Ich bin bei Euch alle Tage bis zum Ende der Welt. Und die im wahrsten Sinne des Wortes bahnbrechende Rolle eines jeden erstgeborenen Zwillings bei der eigentlichen Geburt bildet ab die Wirkung seines Todes und seiner Auferstehung. Jesus ist eben der Erstgeborenen von den Toten. Er allein konnte diesen Weg allein gehen. Ohne ihn könnte keiner von uns ihm folgen durch den Tod hindurch, der Tür zum Leben, hinein ins Vaterhaus. Das Bild des engen Geburtskanals ist ein Bild für den unausweichlichen Tod und die genauso unausweichliche Ankunft im Neuen Leben, in dem wir den Vater von Angesicht zu Angesicht sehen werden.

Das Bild des Mutterkuchens und seine Bedeutung

Achtung, hier wird es später blutrot und leblos zugleich. Doch zunächst zurück zur Funktion der Placenta: Ernährung und Schutz des ungeborenen Lebens. Nach der Geburt ist sie für den Säugling Bedeutungs-los, er wird die Luft seiner neuen Heimat atmen und an der Mutterbrust gestillt werden. Und der Mutterkuchen degeneriert zur Nachgeburt. Seine Aufgabe ist vorbei, er wird von der Mutter abgestoßen. Er gehört sozusagen nicht mehr zum neuen Leben des Säuglings dazu.

Dieses Misch-Gebilde Mutterkuchen ist unserer Überzeugung nach ein Bild, das dem Bild des Blutes Jesu in der Bibel, d.h. seiner symbolischen Bedeutung, entspricht. Im Zusammenhang mit Vergebung und der Bedeckung der Sünde wird dies im Alten und Neuen Testament unzählige Male aufgeführt. Als Art Code zieht sich durch das Buch der Bücher ein, wieder einmal im wahrsten Sinne des Wortes zu verstehender, roter Faden, eine Blutspur, vom ersten bis zum letzten Buch. Vom Blut Abels, über das Blut der Passahlämmer beim Auszug aus Ägypten, dem Opferkult in der Stifts-Hütte und im Tempel mit geschlachteten Tieren und deren Fleisch und Blut, über das Bild von Fleisch und Blut Jesu bis hin zum Blut von Harmaggedon, der angeblich großen Schlacht am Ende der Welt, wenn ein Schimmelreiter mit einem blutigen Gewand vom Himmel her zurück auf die Erde kommt.

Näher untersuchen sollten wir in diesem Zusammenhang auch die Worte Jesu beim Letzten Abendmahl, aus denen heraus sich die Feier des Abendmahles bzw. der Eucharistie in den Kirchen etabliert hat: Während des Mahls nahm Jesus das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es den Jüngern und sagte: Nehmt und esst, das ist mein Leib. Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet und reichte ihn seinen Jüngern mit den Worten: trinkt alle daraus; das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Ich sage euch: Von jetzt an werde ich nicht mehr trinken von der Frucht des Weinstocks, bis zu dem Tag, an dem ich mit euch von neuem davon trinke im Reich meines Vaters. (Matthäus 26: 26-29)

Für den Islam ist dies alles komplett unverständlich und sogar eine ganz schlimme Form des Götzendienstes. Man sieht dort auch das verhinderte Opfer Abrahams mit komplett anderen Augen. Dass Abraham seinen verheißenen Sohn Isaak auf Gottes Befehl hin als Schlacht-Opfer bringen wollte, doch in letzter Sekunde von einem Engel daran gehindert wurde, wird zwar ausgiebig im Opfer-Fest gefeiert, doch allein um sich des überragenden Gehorsams Ibrahims, wie sie Abraham nennen, zu erinnern. Wie gehen wir in unserer modernen, aufgeklärten Welt, mit diesen archaischen Dingen um? Blutige Opfer durch Abschlachten von Mitgeschöpfen? Ist das der Wille eines liebenden Gottes, gar eines Vaters?

Geben wir diesem Thema etwas Distanz. Wir sollten zuerst noch einmal die Bildsprache an sich betrachten. Im Verständnis des Orients, wie uns etwa die Poesie der Beduinen Arabiens in Form-Vollendung zeigt, steht das Bild nur als Platzhalter für eine andere, ja sogar meist für eine höhere Sache. Das Bild ist aber immer nur ein Symbol. Wofür steht das Bild des Blutes in der Bibel?

Es gibt im Alten Testament das Verbot des Blutverzehrs. Also kann Jesus beim letzten Abendmahl, das eine jüdische Seder-Feier anlässlich des Passah-Festes war, unmöglich ein Wort-wörtliche Verständnis seiner Worte gemeint haben. Zumal weil er kein Eingeborener auf einer x-beliebigen Insel im weiten Ozean am anderen Ende der Welt war. Jesus hat nach all dem hier gesagten von seinem Tod gesprochen, den er am nächsten Tag am Kreuz erlitt. Wir erinnern uns also bei der Feier des Abendmahls nur an den Tod des Christus.

In Matthäus 16: 17 antwortet  Jesus auf die Aussage von Simon Petrus, Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!: Selig bist du, Simon Petrus, denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater in Himmel. Fleisch und Blut steht also für den Menschen im Gegensatz zu Gott. Fleisch und Blut meint also menschliches Leben. Das Opfer im Alten Testament war ein stellvertretendes Opfer. Genauso sieht das Christentum den Tod Jesu am Kreuz als stellvertretendes Opfer. Lassen wir das erst einmal so stehen.

Gehen wir zum Bild der Plazenta im Mutterleib und verbinden dieses mit dem hebräischen Begriff der im Zusammenhang mit Sündenvergebung und Gesetzesübertretung verwendet wird:  Bedeckung. Der Mutterkuchen bedeckt die Welt des ungeborenen Kindes. Er ist seine Schutzhülle, bedeckt das Menschlein wie eine Decke, rundherum. Hält es auf zweifache Weise am Leben, verhindert die Abstoßung durch die Mutter und ernährt das Kleine. Wenn man so will hat die Plazenta also ähnliche Funktion für das Baby wie das Opfer im Alten Testament und wie das Opfer Jesu am Kreuz für die Menschheit, nämlich den Überlebens-Schutz. Das Blut bedeckt die Sünde, besser Ziel-Verfehlung (allerdings nicht für den Vater im Himmel relevant, der ist an diesem Punkt nämlich „Betriebs-blind“). Aber der Überlebensschutz allein ist nicht ausreichend, es fehlt der zweite Aspekt: die Ernährung, also das Brot. Wenn man also die bildhafte Sprache Jesu beim Abendmahl vom Essen und Trinken nimmt, haben wir dasselbe Bild. Zwei Bilder, die die gleiche Wahrheit ausdrücken.

Unser Vorschlag: Die Begriffe Sünde und Sündenvergebung können wir auch vom Bild der Plazenta her beleuchten. Für das Kind stellt sich der Mutterkuchen anders da, als für die Mutter, beide sind trotzdem in einer einzigen und zugleich einzig-artigen Struktur aufs Engste miteinander verwoben. Aus der Sicht des Kindes dient der Mutterkuchen einem passiven Zweck, seiner Versorgung und gleichzeitig dem Schutz, insbesondere vor dem Tod durch Abstoßung durch die Mutter. Aus der Sicht der Mutter bedeutet die Plazenta eine aktive Sache, sie versorgt und bewahrt. Genauso müssen wir bei der Betrachtung der Beziehung Mensch-Gott denken. Sie stellt sich für beide Seiten nicht nur anders dar, sondern ist auch wirklich etwas Anderes. Aktive Rolle Gottes und passive Rolle des Menschen ähnlich Mutter-Kind-Verhältnis. Der Vater im Himmel straft nicht, er versorgt, dazu gehört auch die Erziehung. Bewahrung und Versorgung allein sind Kennzeichen eines Vaters. Für die Mutter aller Vaterherzen kann und darf deshalb kein negatives Attribut gelten und verwendet werden wie Strafe und in letzter Konsequenz selbst die Sünden-Vergebung. Ein Vater muss nicht vergeben. Sein Wesen ist Vergebung, deshalb kennt er diesen Vorgang gar nicht. Er hat sozusagen schon im Voraus vergeben, um es etwas holprig auf den Punkt zu bringen. Deshalb wird kein Mensch vor Gott selbst schuldig. Es sind allein seine Brüder, die ihn beim Vater verklagen, wenn sie es denn könnten, denn er ist auf diesem Ohr taub! Der Mensch wird schuldig am Gebot und an seinen Brüdern und Schwestern, nie aber vor Gott, weil dieser ein Vater ist!

Die Übertretung eines Gebotes, selbst das von Gott gegebene und das Gesetz in der Bibel, sei es im Alten Testament vom Berg Sinai, oder das Gesetz Christi aus der Bergpredigt, macht uns nicht schuldig vor Gott. Wir werden schuldig gegenüber unseren Mitmenschen, unseren Mitgeschöpfen oder gar der Schöpfung (Umweltverschmutzung). Dafür benötigen wir Vergebung, die uns geschenkt ist durch das Kreuz von Golgatha, um unser selbst willen. Doch bitten wir nicht im Vaterunser, dem Gebet, das Jesus gelehrt hat: Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern? Auf den ersten Blick ein Widerspruch zu dem Standpunkt dieses Buches. Doch auf dem zweiten Blick, nicht, denn wir beten aus der irdischen Perspektive, d.h. wir sind vergebungsbedürftig, wir benötigen sie. Ja, wir fordern sie sogar manchmal ein! Wie oft fällt in der christlichen Seelsorge der Satz: Du musst vergeben. Meist folgt die Begründung auf den Fuß: um deiner selbst willen, damit du frei wirst vom Groll. Es ist richtig, dass wir unseren Groll überwinden sollen. Doch das kann für manche Menschen, die schwer traumatisiert wurden von anderen Menschen, ein Ding der Unmöglichkeit sein, eine einzige Überforderung. Man spricht vielleicht im Gebet aus, dass man seinem Peiniger vergibt. Aber es ist nur eine vorübergehende Erleichterung, der ganze Schmutz kommt immer wieder hoch in den Gedanken. Das Trauma muss heilen, heißt es dann in der nächsten christlichen Therapiesitzung. Müssen ist auch eine Form von Zwang und Verurteilung. Es klingt alles gut und logisch. Wie Jesus vergeben lernen. Möglicherweise wie in einer Endlos-Schleife.  Eine Lösung möglich?

Ermächtigungsgesetz des Himmels

Vom Gesetz zur Gnade, weg vom muss – hin zum Vaterherzen. Die Erkenntnis, dass der Vater im Himmel nicht vergeben muss, ist ein weitaus wirksameres „ERmächtigungs-Gesetz“, als alle Blicke auf Jesus am Kreuz, der mir dort vergeben habe, und ich mich in der Folge immer wieder an mein Versagen erinnert fühle, wenn ich diese Assoziation nicht aus dem Blick bekomme. Und zu einem Perspektiv-Wechsel finde: Vergebung ist bereits passiert, besser sie war nie nötig, weil Gott ein liebender Vater ist, der einen blinden Fleck in seinen Augen hat, bildlich gesprochen. Oder wie man so schön sagt, auf einem Auge blind ist. Gott ist aber nicht blind für das was man hier auf der Erde Schuld, Sünde, Übertretung, Versagen und so weiter, nennt. Er sieht es nur anders aus einer anderen Perspektive, von oben, vom Himmel her, mit Vater-Augen. Weil er mit den Augen des Herzens sieht. Das können wir als Erdenbürger nur erahnen. Doch das ist eine der wichtigsten Bedeutungen des Kreuzes von Golgatha, das eben auch nur ein Bild für das Vaterherz Gottes ist. Die Sündenvergebung ist dort passiert, wir stellen sie nicht in Frage, wir ordnen sie nur ein und geben ihr den Platz, auf den sie gehört: auf die Erde, zu uns Menschen. Der Vater weiß nichts davon, weil Jesus ihm sagt, ich trage die Verantwortung. Das Kreuz steht auf Golgatha, auf der Erde, nicht im „Himmel“. Auf der Erde allein geschieht Unrecht. Es wird auch nicht im Himmel geweint über das Elend der Menschen. Man sieht dort mit anderen Augen, vergessen wir das nie. Vergebung ist zwar an sich positiv, aber sie besitzt einen negativen Aspekt. Sie degradiert den, dem vergeben werden musste. Zu einem Sünder, dem vergeben wurde und der jetzt für alle Ewigkeiten seinem Gott und seinem Heiland dankbar sein sollte, dass ihm vergeben wurde. So denkt und redet man zum Glück nur hier auf Erden, und selbst da sollte es nicht der Endpunkt der Beziehung zu Jesus oder dem Vater sein. Sondern der Anfang eines viel Besseren: nämlich Bruder und Sohn zu sein. Den selben Weg wie Jesus am Kreuz gehen, von Gott zum Vater,  ihm hinterher, auf den Fersen, so dicht, dass wir ihm dabei in die Fersen treten. Oder wie Jakob als Fersenhalter von Esau. Von Gott zum Vater: Wenn wir uns auf diesen Weg machen, erleben wir die gleichzeitige Dekonstruktion unseres Gottesbildes und eine Konstruktion eines biblischen Vaterbildes.

Geburtswehen 2.0

Der Begriff Geburtswehen findet sich ganz prominent in der zweiten großen  Abschieds-Rede Jesu und ist sozusagen mit drei großen roten Ausrufungs-Zeichen versehen: Im Matthäus-Evangelium, genannt die Ölberg-Rede. Dort fragen ihn seine Jünger nach den Zeichen für seine Ankunft und das Ende der Welt (Matthäus 24: 3-8). Jesus nennt die Not der Menschen durch Kriege, Hungersnöte und Erdbeben explizit Geburtswehen. Zählen wir 1 und 1 zusammen (Johannes 16: 21 und Matthäus 24) so dürfen wir als Ergebnis das gesamte Leid dieser Welt, das sich nicht nur am Weltende zeigt, sondern schon seit den Tagen Adams, getrost „in einen Topf“ werfen mit dem Todesleiden von Jesus. Damit kann man aus folgender Perspektive feststellen: Alles Leid dieser Welt ist Teil der Geburtswehen, die zu der neuen Welt Gottes führen. Diese neue Welt könnte man als ein universelles himmlisches Bethlehem 3.0 bezeichnen. Mehr darüber im folgenden großen Kapitel Pfingsten.

Wir hatten uns bisher mehr oder weniger eher theoretisch mit dem Problem des  Leidens auseinander gesetzt. Eine neue Perspektive zu geben beseitigt das Übel leider auch mit größter Hingabe an das Ziel nicht, macht es zwar erträglicher, aber die absoluten Unerträglichkeit des Elends heute schreit nach einer schnellen Lösung. Etwa jetzt im Gaza Konflikt. Eine Lösung auf diplomatischen Wegen erscheint unmöglich. Eine Abkürzung der Geburt wäre die beste Lösung, um die Geburtswehen enden zu lassen. Oder eine andere Art, das Leben erträglicher zu machen?

KONTAKT

Kontakt per e-Mail möglich:

dr.matthias.oster@t-online.de

© 2023 beim Autor. Powered and secured by Wix

Bitte haben Sie dafür Verständnis. Es geht um den Schutz von Persönlichkeitsrechten des Autors und seiner Familie.

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir anonym bleiben wollen. Es geht um den Schutz von Persönlichkeitsrechten des Autors und seiner Familie.

Kontakt möglich über

martin-ismael@t-online.de

Symbolbild und Schriftzug BENJAMIN an der Großen Synagoge von Budapest

Kontakt per email über

martin-ismael@t-online.de

bottom of page